Murrhardt/Heidenheim - Mit überwältigender Mehrheit haben sich die Murrhardter für den Erhalt der „Alten Post“ entschieden: 82,40 % der 3.949 Abstimmenden sprachen sich beim Bürgerentscheid am Sonntag dafür aus, nur 17,04 % für den Abriß. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 36,77 %. Damit wurde das erforderliche Quorum von 25 % Ja-Stimmen mit 30,30 % deutlich überschritten.
Die „Alte Post“ war früher unter dem Namen „Sonne-Post“ ein weithin bekanntes Spitzenrestaurant und Hotel, das den Namen Murrhardt in alle Welt hinaustrug und den Ruhm der Stadt im In- und Ausland mehrte. So berühmte Persönlichkeiten wie Willy Brandt und die polnische Fußball-Nationalmannschaft nahmen hier Quartier. Die Stadt Murrhardt hatte geplant, das Gebäude abzureißen und auf dem Gelände eine Seniorenwohnanlage zu bauen.
Stadtverwaltung und Stadtrat haben bereits angekündigt, nun auf die Bürgerinitiative zuzugehen und konstruktiv mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie erwarten von der Initiative die Mitarbeit bei der Lösung der Frage, wie es mit dem geplanten Bau der Seniorenwohnanlage weitergeht und wie die „Alte Post“ künftig genutzt werden soll. Bei künftigen Planungen sollen die Bürger frühzeitig mit einbezogen werden, um eine Konfrontation wie die jetzt entschiedene in Zukunft zu vermeiden. Die Stadtoberen in Murrhardt haben also offensichtlich aus den Erfahrungen gelernt und geloben Besserung.
Ganz anders in Heidenheim: Auch hier sprach sich bei einer Stimmbeteiligung von 26,8 % eine klare Mehrheit von 75,6 % (7.249) der 9.591 Abstimmenden für das Anliegen des Bürgerbegehrens aus, also gegen den Verkauf der städtischen Wohnungen. Doch im Gegensatz zu Murrhardt wurde hier das Quorum verfehlt: Dazu wären 8.945 Stimmen (93,26 %) notwendig gewesen. Das bedeutet, daß der Bürgerentscheid nicht bindend ist. Der Stadtrat könnte sich also über das Votum der Bürger hinwegsetzen. Genau dies hat Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) bereits angekündigt: Er sei froh, daß der Bürgerentscheid nun vorbei sei und man wieder zur Tagesordnung übergehen könne. Er führt die geringe Beteiligung darauf zurück, daß das Geschäft auch im Fall eines erfolgreichen Bürgerentscheids nicht rückgängig gemacht worden wäre und der Erwerber, die GAGFAH, nicht zu einer Rückabwicklung bereit sei. Mit diesem Argument war im Vorfeld von den Befürwortern des Verkaufs auch immer wieder für ihre Position geworben worden. Anders ausgedrückt: „Wir machen, was wir wollen. Ihr Bürger habt sowieso nichts zu entscheiden!“
Wie der Heidenheimer Stadtrat letztlich entscheiden wird, ist noch offen. Es bleibt zu hoffen, daß es einige Räte gibt, die den eindeutig geäußerten Willen der Bürger nicht ignorieren werden. Und was den Oberbürgermeister betrifft: Hier wird im Herbst neu gewählt, und die Heidenheimer Bürger haben die Möglichkeit, an der Wahlurne zu zeigen, was sie über ein solches Amts- und Demokratieverständnis denken.
Anscheinend ist es umso schwieriger, die Bürger für die Teilnahme an einem Bürgerentscheid zu mobilisieren, je größer die Gemeinde ist: Während in Murrhardt das Zustimmungsquorum problemlos erreicht wurde, gelang dies im weitaus größeren Heidenheim - wenn auch knapp - nicht. Als Fazit für Backnang, dessen Einwohnerzahl zwischen denen von Murrhardt und Heidenheim liegt, läßt sich ziehen, daß es noch großer Anstrengungen und des Schweißes der Edlen bedarf, daß es aber durchaus möglich ist, das Schlimmste für die Stadt noch zu verhindern. Stadtverwaltung, Stadtrat und Oberbürgermeister sind aufgerufen, sich klüger zu zeigen als diejenigen in Heidenheim und sich nicht ähnlich arrogant wie im Fall der Lerchenäcker über den Bürgerwillen hinwegzusetzen.
Thilo Benner
Heidenheim - Nun können auch die Heidenheimer Bürger über den Verkauf des städtischen Wohnungsbestandes entscheiden. Im Unterschied zu Freiburg hatte die Stadtverwaltung mit Zustimmung des Stadtrats in aller Heimlichkeit die städtische Wohnungsbaugesellschaft an die luxemburgische Immobiliengesellschaft GAGFAH verkauft. Die Öffentlichkeit wurde erst informiert, als das Geschäft bereits abgewickelt war. Viele Heidenheimer fühlen sich brüskiert, hintergangen, über den Tisch gezogen: Nicht nur, daß über die Köpfe der Bevölkerung hinweg eine Entscheidung getroffen wurde, die zum Nachteil der Stadt und ihrer Bewohner sein könnte, empört die Menschen, sondern ebenso die Tatsache, daß das Ganze unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden hat: Es drängt sich der Verdacht auf, daß hier gemauschelt wurde. Warum sollte man sonst derart das Licht der Öffentlichkeit scheuen?
Nachdem bei dem Bürgerbegehren mit 4239 Unterschriften die erforderliche Zahl von 2500 weit überschritten worden war, hat der Heidenheimer Stadtrat heute den Bürgerentscheid für zulässig erklärt und den Termin für die Abstimmung auf den 11. März festgesetzt.
Selbst ein erfolgreicher Bürgerentscheid habe jedoch keinen Einfluß mehr auf den Verkauf der Wohnungen, da beide Vertragsparteien ihre Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag bereits erfüllt hätten und die GAGFAH nicht bereit sei, das Geschäft rückabzuwickeln, erklärten übereinstimmend Oberbürgermeister Bernhard Ilg (CDU) und das Regierungspräsidium Stuttgart.
Was lernen wir daraus? Wenn du als Stadtoberer eine Sauerei vorhast, sieh zu, daß sie fix und fertig abgewickelt ist, bevor irgendjemand davon Wind bekommt!
Thilo Benner
Murrhardt - Wie die Backnanger Kreiszeitung meldet, war die Initiative zur Erhaltung der „Alten Post“ in der Karlstraße mit ihrer Unterschriftensammlung erfolgreich: Mit 2642 zulässigen Unterschriften haben fast ein Viertel der wahlberechtigten Murrhardter unterschrieben. Somit wurde die für die Einleitung eines Bürgerentscheides erforderliche Anzahl von 10 % weit übertroffen.
Der Gemeinderat hatte beschlossen, das alte Fachwerkhaus abzureißen und an seiner Stelle eine Seniorenwohnanlage zu bauen. Die Bürgerinitiative hält das für einen Frevel: „Bei dem Fachwerkbau handelt es sich um ein stadtbildprägendes Gebäude, das auf Grund seiner Geschichte eine überregionale Bedeutung hat und somit erhaltungswürdig ist.“
Nun haben die Murrhardter Bürger das Wort. Der Bürgerentscheid soll voraussichtlich Ende Februar oder Anfang März stattfinden.
Thilo Benner
22.11.2006:
Am letzten Samstag, dem 18. November, wurden die Bauarbeiten in der Katharinenplaisir bereits zum vierten Mal in Folge fortgesetzt, obwohl Baubürgermeister Balzer den Bürgern bei der Bürgerversammlung der Stadt am 26. September in der Plaisirschule versprochen hatte, daß künftig an Wochentagen nach 17 Uhr sowie an Samstagen die Bauarbeiten ruhen würden, um den Anwohnern wenigstens abends und an den Wochenenden Ruhe zu gönnen.
Leider hat nun Baubürgermeister Balzer letzten Samstag bei der an der Plaisir-Grundschule stattgefundenen Informationsveranstaltung der Agenda-Gruppe „Stadtentwicklung und Verkehrsplanung“ und im Beisein von Verantwortlichen der Firma Gläser dieses Versprechen dementiert! Die Agenda-Gruppe fordert nun Herrn Balzer abermals auf, sich am nächsten Samstag, dem 25. November, um 14 Uhr an der Plaisirschule wiederum den Fragen und Anliegen der Bürger und Anwohner zu stellen und dabei sein Versprechen endlich einzulösen.
Die Bewohner der Plaisir und Taus werden gebeten, möglichst zahlreich an dieser Veranstaltung teilzunehmen, damit öffentlichkeitswirksam in den Medien berichtet werden kann!
12.11.2006:
Freiburg - Mit einem deutlichen Votum von 70,5 % haben die Bürger der Stadt Freiburg entschieden, daß die kommunalen Wohnungen im Eigentum der Stadt bleiben. Oberbürgermeister Dieter Salomon und die Mehrheit des Stadtrates hatten beschlossen, fast den gesamten Wohnungsbestand der Stadt an einen Finanzinvestor (sog. „Heuschrecke“) zu verkaufen. Freiburg wäre dadurch auf einen Schlag schuldenfrei geworden. Freilich wären auch die Mieteinnahmen weggefallen, und die Stadt hätte keine Möglichkeit mehr gehabt, benachteiligten Bürgern (z. B. Familien und Menschen mit geringem Einkommen), die auf dem freien Wohnungsmarkt nur sehr schlechte Chancen haben, zu einer Wohnung zu verhelfen. Da sie jedoch verpflichtet ist, Obdachlosigkeit zu vermeiden, wäre sie gezwungen gewesen, von Obdachlosigkeit bedrohte Personen in Hotels und angemieteten Räumen unterzubringen, was wesentlich höhere Kosten verursacht.
Zwar war in den Kaufverträgen eine Sozialcharta enthalten, doch die Bürger trauten dem Frieden nicht: Finanzinvestoren haben nichts zu verschenken. Sie wollen eine maximale Rendite erzielen. Das kann man nicht, wenn man soziale Gesichtspunkte beachtet. Aufgrund von Erfahrungen in anderen Städten befürchteten die Mieter, daß sie durch Luxussanierungen künftig die Miete nicht mehr bezahlen können. Einen Kauf können sich die allermeisten schon gar nicht leisten.
Obwohl nur eine Minderheit der Freiburger in kommunalen Wohnungen wohnt, war auch die Mehrheit der nicht Betroffenen der Meinung, daß die Stadt eine soziale Verpflichtung hat und daß man laufende Ausgaben nicht durch einmalige Erlöse decken darf.
Genau diesen Weg aber will die derzeitige Führung der Stadt Backnang mit dem Grundstücksverkauf auch einschlagen. Am Ende hat man sein Tafelsilber verschleudert und steht mit leeren Händen da. Die Erfahrungen in Freiburg sollten unseren Stadtoberen endlich die Augen öffnen und sie auf den Pfad der Vernunft bringen. Ansonsten werden es die Bürger tun, die bisher noch in allen Bürgerentscheiden die größere Klugheit und Weitsicht bewiesen haben als die Politiker.
Thilo Benner